2025: Gottes Geist braucht freien Raum



Mit der Jahreslosung ins Neue Jahr: Henning Dobers ermutigt uns, dass wir uns in Leben und Gemeinde neu auf den Heiligen Geist einlassen. 

„Prüft aber alles und behaltet das Gute!“ (1. Thessalonicher, Kap. 5, V. 21).

Wieder beginnt ein neues Jahr – mit einer neuen Jahreslosung. Diesmal ist es ein Vers aus dem 1. Brief an die Thessalonicher, dem wohl ältesten Brief des Apostels Paulus. Ums Prüfen geht es und darum, dass am Schluss das Gute aktiv bewahrt wird: Es geht also um ein positives Ziel. Das Gute soll bleiben. 

Der Text einer jeden Jahreslosung hat einen sogenannten Kontext – jedes biblische Wort steht in einem Zusammenhang (und der ist immer wichtig). Paulus listet in diesem letzten Abschnitt seines Briefes eine Fülle von Anweisungen auf, es sind kurze und prägnante Imperative für ein gesundes Gemeindeleben: „Tut dieses, lasst jenes! Vergesst nicht …! Denkt daran, dass …!“

Schließlich, direkt vor dem Text der Jahreslosung: „Den Geist dämpft nicht. Prophetische Rede verachtet nicht“ (in der Luther-Übersetzung 1984). Anders ausgedrückt: „Den Geist löscht nicht aus“ (Luther 2017) oder „unterdrückt nicht das Wirken des Heiligen Geistes“ (Basis-Bibel). Das heißt für das neue Jahr und darüber hinaus: „Behindert nicht den Heiligen Geist, macht es ihm nicht schwer. Sorgt dafür, dass Gott frei unter euch wirken kann. Gebt dem Geist Raum unter euch!“

Alles beginnt mit der Freiheit …

Nun haben wir an genau dieser Stelle ein wahrscheinlich typisch deutsches Sonderproblem. Wir neigen dazu, sorgenvoll zu befürchten, wo wir überall scheitern könnten in Glaube und (Gemeinde-)Leben. Anstatt zu sagen, „es könnte klappen, lasst es uns versuchen“, tendieren wir zu: „Es könnte schiefgehen, probieren wir es also lieber gar nicht erst aus.“ Anstatt die Dinge zunächst einfach laufen zu lassen, wollen wir möglichst schnell Ordnungen, Gesetze und Vorschriften erlassen. Wir lieben Kontrolle, wir haben nahezu fundamentalistische Sicherheitsbedürfnisse, wir wollen nichts riskieren. 

Das jedoch ist Gift für eine natürliche, gute und gesunde Entwicklung von Glaube, vitalem Gemeindeleben und wirkmächtiger Kirche. Wir hätten gern einen berechenbaren Gott, der uns in unseren Planungen nicht überrascht. Aus lauter Angst vor den unkontrollierbaren Folgen, die das Wirken des Heiligen Geistes mit sich bringen könnte, verzichten wir lieber ganz auf ihn. Das jedoch erstickt das Glaubensleben schon im Keim. 

Der Heilige Geist fristet in weiten Teilen der deutschen Kirche, Theologie und Frömmigkeit ein Käfigvogeldasein. Er darf flattern und fröhlich zwitschern. Er darf bunt aussehen. Nur eines darf er nicht: frei fliegen. 

Der Geist Gottes jedoch bewirkt nicht nur Freiheit („Der Herr ist der Geist; wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit“; 2. Korintherbrief, Kap. 3, V. 17), sondern er benötigt auch Freiraum, um wirken zu können („Aber sie waren widerspenstig und betrübten seinen Heiligen Geist“; Jesaja, Kap. 63, V. 10). Der Geist Gottes muss im persönlichen Glaubensleben und in der Gemeinde frei fliegen dürfen. Er muss die Freiheit haben, reden und handeln zu dürfen – wann immer, wo immer und wie immer er will. 

… und danach wird geprüft 

Das also ist der unmittelbare Kontext unserer Jahreslosung. Erst jetzt kommt „Prüft alles, aber das Gute behaltet!“ Erst die Freiheit – dann die Prüfung. Denn auch nicht alles, was uns frei und fröhlich um die Ohren fliegt, ist der Heilige Geist. Salopp gesagt: In nicht jedem Vogel, den jemand hat, ist die Taube des Heiligen Geistes zu erkennen. Nur weil jemand Christ ist, einen Talar trägt oder ein kirchliches Amt bekleidet, muss das, was er oder sie sagt, noch lange nicht im Einklang mit Gottes Geistwirken stehen. Dies gilt umso mehr, wenn Menschen innerhalb der Gemeinde für sich reklamieren, prophetische Worte, Bilder und Eindrücke auszusprechen.

Deshalb ist Prüfung wichtig. Das in der Jahreslosung verwendete griechische Verb kommt im Neuen Testament 22-mal vor. Es wird übersetzt mit „prüfen, beurteilen, erproben, untersuchen, unterscheiden“. 

An unzählig vielen Stellen in unserem Alltag wenden wir genau dieses Prinzip ganz selbstverständlich an. Beim TÜV alle zwei bis drei Jahre, beim Zahnarzt 2- bis 3-mal im Jahr. Beim Kochen „probieren“ und „prüfen“ wir mehrfach, ehe wir auftischen. Manchmal, wenn wir uns unsicher sind, beziehen wir andere in den Prüfvorgang ein: „Probier’ du doch mal!“ Brücken, Bäume, Grabsteine, elektrische Leitungen, Schornsteine, Gasleitungen, der Gesundheitszustand von Piloten, die Waage beim Fleischer… alles Mögliche wird geprüft.

Warum? Weil der äußere Schein trügen kann. Weil manches, was auf den ersten Blick gut aussieht, einem zweiten Blick nicht standhält – und weil mitunter Leben und Gesundheit davon abhängen. Weil das Gute und Qualität sich durchsetzen sollen. 

Das Gleiche gilt für die Gemeinde. 

Bereits im Alten Testament finden sich viele Hinweise darauf: „Weh denen, die Böses gut und Gutes böse nennen, die aus Finsternis Licht und aus Licht Finsternis machen, die aus sauer süß und aus süß sauer machen!“ (Jesaja, Kap. 5, V. 20). Oder beim Propheten Jeremia: „Die Propheten weissagen Lüge in meinem Namen; ich habe sie nicht gesandt und ihnen nichts befohlen und nicht zu ihnen geredet. Sie predigen euch falsche Offenbarungen, nichtige Wahrsagung und ihres Herzens Trug“ (Jeremia, Kap. 14, V. 14). 

Was bedeutet das für unser Glaubens- und Gemeindeleben?

So wie das Eichamt anhand genormter Gewichte die Waage beim Fleischer überprüft und sie anschließend (bei bestandener Prüfung) mit einem Siegel markiert, muss sich alles Lehren, Leben und Leiten in der Gemeinde an der Bibel und an der apostolischen Tradition messen lassen. Nicht wir meistern die Bibel und das Bekenntnis, sondern Bibel und Bekenntnis (in dieser Reihenfolge!) meistern uns und die Kirche. Nicht Mainstream, Zeitgeist, persönliche Überzeugungen, Persönlichkeitsmuster, eigene Theologie oder was auch immer definieren Gott, sondern umgekehrt. 

Dazu zwei aktuelle Beispiele. Mir begegnet seit einiger Zeit immer häufiger folgende Begrüßung zu Beginn von Gottesdiensten oder kirchlichen Versammlungen: „Im Namen des Vaters und des Sohnes und der Heilig-Geist-Kraft …“ Das hört sich klug und schöngeistig an, ist aber nicht mehr christlich. Dahinter steht die Weigerung, das fast 2000-jährige ökumenische  Bekenntnis beizubehalten: Der Heilige Geist verliert sein Dasein als eigenständige Person, wird seiner Gottheit beraubt und zur reinen Kraft degradiert. Gott wird nicht mehr als dreieinig geglaubt und bekannt. Beginnt aber eine Predigt mit dem Gruß: „Gnade sei mit euch von dem, der da war, die da ist und wiederkommt!“, dann wird versucht, Gott „geschlechtergerecht“ umzudeuten. Eine Predigt, die so startet, ist keine christliche Predigt mehr, sondern allenfalls noch ein theologisches Geräusch. 

Deshalb: „Prüft alles …!“ 

Wie geschieht Prüfen praktisch?

Zunächst mit einem gesunden geistlichen Empfinden: Wie klingt das Gehörte in mir? Welche Resonanz ruft es hervor? Höre ich die Stimme des guten Hirten? „… und die Schafe hören seine Stimme; und er ruft seine Schafe mit Namen […] und die Schafe folgen ihm nach; denn sie kennen seine Stimme. Einem Fremden aber folgen sie nicht nach, sondern fliehen vor ihm“ (Johannesevangelium, Kap. 10, V. 3-5). Steht das, was ich höre oder lese, im Einklang mit Bibel und Bekenntnis? Wird Gott verherrlicht? Stärkt es den Glauben, die Liebe, die Hoffnung? Dient es der Auferbauung der Gemeinde? Werde ich, werden wir positiv herausgefordert, authentisch getröstet oder treffsicher in die Buße geführt? 

Dann hat sich bewährt, dass in bestimmten Situationen mehrere geistlich erfahrene und autorisierte Personen, meist das Leitungsteam einer Gemeinde, gemeinsam Lehre und Leben prüfen. Viele Augen und Ohren sehen und hören mehr als zwei. Können sie gemeinsam bestätigen, dass das Gehörte von Gott kommt oder (zumindest in Teilen) Gottes authentisches Reden enthält? 

Natürlich hat jeder, der an Jesus Christus als Herrn glaubt, den Heiligen Geist („niemand kann sagen: Jesus ist der Herr, außer durch den Heiligen Geist“; 1. Korintherbrief, Kap. 12, V. 3). Prinzipiell ist jeder Christ durch Taufe und Glauben von Gott in die Lage versetzt, Aussagen, Entwicklungen und Lebensstile innerhalb und außerhalb der Kirche zu beurteilen. Diese Erkenntnis war eine der ganz großen Wiederentdeckungen der Reformation und bedeutete Befreiung aus lehramtlicher Bevormundung. Diese göttliche Befähigung will jedoch eingeübt und trainiert werden. Denn sie kann im Gegenzug auch verkümmern oder unterentwickelt bleiben. Praktische Hilfen geben Ursula und Manfred Schmidt in ihrem Buch „Hörendes Gebet“ und auf Seminaren (s. Info-Kasten).  

Los geht’s!

Die Jahreslosung ermutigt uns, 2025 und darüber hinaus bewusst offen zu sein für das Reden und Wirken des Heiligen Geistes. Es geht zuerst um Freiheit und Freiraum für den Heiligen Geist sowohl im persönlichen Leben als auch in allem, was uns begegnet. Da haben wir in Deutschland viel Nachholbedarf! Die Jahreslosung erinnert uns im gleichen Atemzug aber auch daran, alles zu prüfen, um anschließend das Gute zu bewahren. 

Also: Käfigtür auf und Freiheit für den Heiligen Geist und seine Wirkungen! Gleichzeitig genau hinschauen und hinhören – denn nicht jede Flugbewegung oder jedes „Gezwitscher“ kommt vom Heiligen Geist. 


Buch zum Thema:

Ursula und Manfred Schmidt: 
Hörendes Gebet. Grundlagen und Praxis

272 Seiten, Paperback,
EUR 14.95, 12. Auflage

Erhältlich im Buchhandel: ISBN 978-3-9808340-4-9
oder direkt beim GGE Verlag

Mit dem Heiligen Geist tiefer gehen

Ursula und Manfred Schmidt bieten regelmäßig Seminare zum „Hörenden Gebet“ an (Termine hier).
Auf ihrer Webseite gibt es weiterführendes Material, außerdem Termine für „Gästeabende“, wo Menschen für sich und ihre Situation beten lassen können (und das Gebetsteam für Gottes Reden offen ist).

Auch zum Thema:

Buchcover „Komm, Geist Gottes“ von Swen Schönheit

Swen Schönheit: 
Komm, Geist Gottes!“ – Wie eine Einladung alles verändert
Der neue Kurs für Gemeinde, Gruppe und Selbstentdecker.

212 Seiten, 17 x 24 cm, veredelte Klappbroschur, dreifarbig mit vielen Illustrationen, EUR 20.00, 3. Auflage

Erhältlich im Buchhandel: ISBN 978-3-9818340-3-1
oder direkt beim GGE Verlag

Aktions-Homepage zum Buch

Henning Dobers

Henning Dobers ist Pfarrer und war bis 2023 Leiter der GGE Deutschland.

Alle Beiträge ansehen von Henning Dobers →

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Cookie Consent mit Real Cookie Banner