5 Dinge, die Kirche sicherer machen

Das Ausmaß von sexuellem Missbrauch und Gewalt in den Kirchen erschüttern uns seit Jahren. Doch worauf ist zu achten? Katrin Kroll fasst die wichtigsten Grundsätze für uns zusammen.

Kirche ist ein sicherer Raum für alle …

Wäre es nicht schön, wenn dieser Satz in unseren kirchlichen Gemeinschaften immer mehr Realität würde? In den letzten Monaten haben uns immer wieder Informationen darüber erreicht, dass Kirche das in den letzten Jahren und Jahrzehnten auf schmerzhafte Weise nicht immer leisten konnte.

Ich freue mich sehr darüber, dass die von Missbrauch betroffenen Menschen endlich Raum und Unterstützung finden, ihre Geschichten zu erzählen. Und ich denke, das gehört auch zu einer Bewegung, die kirchliche und spirituelle Räume immer sicherer macht: Gewalt wird nicht mehr versteckt, sondern gemeinsam benannt, begrenzt, in Verantwortung geholt und verhindert.

Als Frau, die in der Kirche zu Hause ist, und als Psychotherapeutin und Supervisorin von christlichen Einrichtungen und Organisationen ist mir das aber nicht genug. Ich möchte gern (vielleicht zusammen mit dir, liebe Leserin und lieber Leser) darauf hinarbeiten, dass unsere Kirche in Zukunft ein schöner, sicherer Raum wird, der Menschen ein gutes Zuhause bietet.

Dazu muss neben der klaren Bearbeitung geschehener Gewalt auch eine Bewegung der Vorsorge entstehen. Aus der Erfahrung der letzten Jahre wissen wir, dass dazu Verschiedenes notwendig ist.

1. Information geben: Was ist Gewalt?

Eine sichere Gemeinschaft zeichnet aus, dass alle Mitglieder erkennen können, was Gewalt ist und wie sie sich zeigt. Dazu braucht es gute Informationen für alle Beteiligten: das heißt, dass nicht nur die Kinder wissen müssen, welches Verhalten ihnen schadet. Vielmehr müssen wir alle uns damit beschäftigen, wie Gewalt entsteht und wie wir schon die frühen Zeichen erkennen, damit wir uns gemeinsam konkret dagegenstellen, lange bevor rechtlich relevante Übergriffe passieren.

2. Würde achten und Mündigkeit fördern

Dazu braucht eine sichere Gemeinschaft auch die klare Einstellung, dass die Eigenverantwortung und Mündigkeit der einzelnen immer wieder unterstützt und gefördert wird. Gemeinschaften, bei denen Unterwerfung und Abhängigkeit zur Normalität gehören, schaffen Grundlagen für Grenzüberschreitungen. Dabei geht es nicht darum, dass der Einzelne sich nicht auch in die Gruppe einfügt. Vielmehr brauchen wir eine Kultur der Gemeinsamkeit, die die Würde und die persönlichen Grenzen der Mitglieder einbezieht.

3. Realistisch bleiben und Anlaufstellen schaffen

Eine sichere Gemeinschaft ist sich bewusst, dass es sehr schnell geschehen kann, dass sich Grenzüberschreitungen ereignen. Es wäre illusorisch zu denken, dass wir dahin kommen können, dass bei uns niemand etwas Schlimmes erlebt. Deshalb ist es neben den Bemühungen, die Gruppen immer sicherer zu gestalten, auch wichtig, dass alle Mitglieder, große und kleine, wissen, wohin sie sich in Notsituationen wenden können. Sinnvolle Schutzkonzepte integrieren dazu sowohl Ansprechpartner im Inneren der Gruppe, die Betroffenen helfen, als auch Kontaktstellen bewusst außerhalb der Gemeinschaft, die besonders dann kontaktiert werden können, wenn die Gewaltausführenden zur Gruppe oder – noch schlimmer – zu den Leitern gehören. Besonders wenn Erwachsene Übergriffe auf Kinder oder Jugendliche beobachten, sollten sie die zuständige Kinderschutzfachkraft kennen, die ihnen helfen kann, die Situation einzuschätzen und nächste Schritte konkret zu planen.

4. Fachleute ausbilden und Betroffenen zuhören

Eine sichere Gemeinschaft entsteht dort, wo wir die klare Prämisse verfolgen, dass wir der Geschichte von Betroffenen immer ein Ohr schenken. Natürlich sind manche Konflikte leichter zu lösen als andere; in manchen Fällen braucht es innerhalb und außerhalb der Organisation Menschen, die sich den Betroffenen zuwenden und mit ihnen gemeinsam klären, wie eine gute Lösung aussehen könnte. Dafür brauchen wir Mitarbeiter, die Zeit und Ausbildung haben, um gut zu ermitteln, wie eine Situation wirklich ist, und die dann Gewalt beenden und möglicherweise auch rechtliche Schritte mit den Betroffenen gehen. Dabei geht es darum, Täter und Opfer von Gewalt im Prozess zu begleiten.

5. Für ein funktionierendes Schutzkonzept sorgen

Schon viele haben sich diesen Aufgaben großartig gewidmet. Wir finden online geniale Schutzkonzepte aus den verschiedenen Kirchen und Gemeindebünden der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) – wie zum Beispiel das Schutzkonzept „Schützen und begleiten“ des Bundes Freier evangelischer Gemeinden. Aber auch staatliche Stellen bieten gutes Material an: so die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und das Bundesfamilienministerium.

Machen wir uns miteinander auf, vernetzen wir uns, arbeiten wir gemeinsam an schützenden Strukturen, um diesen Raum entstehen zu lassen:

Gott wünscht sich Kirche als sicheren Raum für alle, ich teile seinen Traum.


Missbrauch in der Kirche vorbeugen

Sexuellem Missbrauch und Gewalt vorzubeugen bleibt in Kirchen und Gemeinden ein herausragend wichtiges Thema. Vor anderthalb Jahren hat die Deutsche Bischofskonferenz deshalb ihren „Werkzeugkasten“ zum Schutz vor Missbrauch noch um einen Sachverständigenrat ergänzt. Die Gewaltschutzrichtlinie der EKD verpflichtet die Landeskirchen seit fünf Jahren dazu, Schutzkonzepte in Kirchengemeinden und Einrichtungen zu entwickeln. Anfang des Jahres hat die ForuM-Studie erneut die evangelische Landschaft mit ihren Ergebnissen erschüttert; sie weist auf Probleme hin, die es auch in Freikirchen im Umgang mit sexuellem Missbrauch gibt.

Weitere Web-Links:

EKD-Arbeitshilfe „Auf Grenzen achten – Sicheren Ort geben“ für Kirche und Diakonie

Schutzkonzept „Auf dem Weg zur sicheren Gemeinde“ des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (BEFG

Fachbeirat „Sexueller Gewalt begegnen“ (Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten)

„Notfallplan“ der Evangelisch-methodistischen Kirche

Kinderschutz im Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden

Infos der Deutschen Bischofskonferenz zur Prävention in der katholischen Kirche

Arbeitshilfe „Für eine Kultur des achtsamen Miteinanders“ im Bistum Passau
Die GGE App

Diesen und viele weitere Artikel findest du auch in der GGE App. Lade sie dir jetzt auf dein Mobilgerät bei Google Play oder im Apple App Store

Katrin Kroll

Katrin Kroll ist christliche Therapeutin und Ausbildungsleiterin an der Ignis-Akademie in Kitzingen (Unterfranken).

Alle Beiträge ansehen von Katrin Kroll →

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Cookie Consent mit Real Cookie Banner