GGE-Blog Ukraine, Teil 6: Ukrainische Christen bitten uns Deutsche um einen Perspektivwechsel. Hans-Joachim Scholz berichtet vom letzten Tag vor der Abreise aus der Westukraine.
Hans-Joachim Scholz ist seit Sonntag mit einer kleinen Delegation im Westen der Ukraine in der Region Uzhgorod (sprich „Uschgorod“) unterwegs und berichtet diese Woche täglich auf dem Blog. Mit ihm reisen Alfred Schuster, Michael Prinz zu Salm-Salm und Pavol Strezo aus der Slowakei. Dahinter steht der mit seiner Frau Rita gegründete GGE-Versöhnungsdienst „S’ Lamm“. Parallel starten sie eine Gebets-Initiative für die Ukraine, ihre Nachbarländer und Deutschland.
Freitag, 10.2.2023. „Gott ist da, mitten im Krieg“. Gestern intensives Gebet in Mukatschewo – für das Ende des Krieges. Für Kraft, das Evangelium zu verkünden. Für Heilung der Seelen.
Gestern früh, 7 Uhr: Wir brechen auf, um quer durch die Karpaten nach Mukatschewo zu gelangen. Die herrliche Schneelandschaft in den Bergen genießen wir sehr! Mukatschewo liegt flach vor den Karpaten, beherrscht von der Burg Palanok. Unser Organisator Miroslav hat mit dem reformierten Pfarrer Robert den bestehenden Ökumenekreis eingeladen. Nach dem Mittagessen fahren wir in die griechisch-katholische Kirche von Pfarrer Vasile zum Austausch und Gebet.
Die Gebete und Gebetsanliegen der Gruppe („wir“ bezieht sich in der Regel auf einen der ukrainischen Beter, meint also „wir als ukrainische Christen“):
1. Die Gleichberechtigung der Kirchen muss erhalten bleiben. Die ukrainisch-orthodoxe Kirche strebt den Status der Staatskirche an, was alle anderen benachteiligen würde.
2. Wir bitten um ein baldiges Ende des Krieges. Zugleich erleben wir, dass viele bisherige bekennende Atheisten nach Gott rufen und beten und die Fürbitte der Christen erbitten. Wir müssen bereit werden, die Schäden des Krieges an den Seelen zu heilen, erst recht wenn die unmittelbarste Kriegsgefahr vorbei ist.
3. Der Krieg hat einen unerwarteten Zusammenschluss der Christen bewirkt in Liebe, Hilfsbereitschaft und Vertrauen. Wir brauchen Kraft für die Verkündigung des Evangeliums und praktische Nothilfe.
4. Wer mein Land angreift, die Häuser und das Leben zerstört, meine Identität auslöschen will, der ist mein Feind. Das habe ich lernen müssen. Muss ich meinen Feind nicht abwehren, überwinden? Geht das ohne Blut? Das darf nicht zugedeckt werden mit frommen Worten. Wir beten um Gerechtigkeit und Gottes Gericht. Wir beten um dieses Wunder! Gott hat bestimmt einen Plan!
5. Jetzt ist eine besondere Zeit, Jesus zu verkündigen!
6. Wir sitzen im Schatten des Todes. Wir erleben oder hören oder sehen unbeschreibliche Ereignisse von der Front. Zugleich werden dort Soldaten zum Glauben erweckt. Gott ist da, mitten im Krieg. Er rettet die, die sich ihm anvertrauen zum Leben und zum ewigen Leben. Betet für den Sieg und für die Verbreitung des Evangeliums.
7. Wir sollen Salz und Licht sein für die Welt, in der so viel Korruption (und anderes) herrscht.
8. Betet für euch selbst in Deutschland, im Westen, dass Gott euch unsere Lage aus unserer Sicht, mit unseren Augen sehen lässt. Viele verstehen nicht, dass es hier nicht nur um einen Konflikt zwischen Russen und Ukrainern geht. Ihr im Westen könnt nicht nur Zuschauer sein. Seht, wie viel Leid es gibt, weil den Frauen, Kindern und Müttern die Männer, Väter und Söhne genommen werden.
Für alle ist es eine wunderbare Erfahrung, über die konfessionellen Unterschiede hinweg miteinander vor den Vater im Himmel zu kommen und im Vertrauen auf Jesus Christus gemeinsam laut das Vaterunser zu beten. Der Pfarrer der Gemeinde beendet das Treffen mit dem Segen Gottes.
Anschließend gehen wir an den Platz, wo eine Gedenkplakette für eine der 18 Synagogen zu sehen ist, die es früher hier gab. Vor dem Zweiten Weltkrieg lebten rund 18.000 Juden in Mukatschewo, das war etwa ein Drittel der Einwohner. Ein altes Ehepaar, dessen Väter Juden waren, trägt uns die Geschichte vor.
In der heute einzigen aktiven Synagoge erfahren wir, dass zweimal in der Woche zusätzlich zum Schabbat ein Gebet gehalten wird, auch wenn meist kein Minjan ist, also weniger als zehn Männer da sind. Chaim spricht uns einen Segen und sagt zum Schluss auf jiddisch gut verständlich, dass er sich über unseren Besuch sehr gefreut hat.
Es ist Zeit, sich von den Geschwistern in Mukatschewo zu verabschieden und zur Unterkunft nach Uzhgorod zu fahren.
Wir wollen die Erfahrungen dieser Reise mit Miroslav ausweiten. Er wird uns gern bei den nächsten Schritten helfen und mitgehen. Denn soviel ist klar: Die Versöhnungswege gehen weiter!
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Vielen Dank dass Ihr Euch aufgemacht habt um die Ukraine besser zu verstehen. Die Wunden die wir in der Nazizeit an den ukrainischen Juden und der Ukraine bedürfen der Versöhnung und gleichzeitig müssen die nationalistischen, antisemitischigen Strömungen in der Ukraine auch nach dem furchtbaren Krieg aufgedeckt werden. Mich bewegt auch wie ein Verstehen mit den russischen Bevölkerungsteilen gelebt werden kann. Hier haben wir Chriszen aus Deutschland eine große Aufgabe. Lorenz Reithmeier
Danke für die Reiseberichte. Danke für die Initiative. Sehr hilfreich und motivierend waren auch die konkreten Gebetsanliegen, die wir Leserinnen und Leser nun aufgreifen und mit euch und hoffentlich vielen vor Gott bringen können.