Abhängig von Gott werden statt den Besitz wahren: Udo Schulte blickt in eine verheißungsvolle Zukunft seiner Kirche.
Vieles ist im Fluss, Bestehendes gerät ins Wanken und die neuen Ansätze für Gemeindeaufbau sind doch eher bescheiden. Ehrlich gefragt: Sieht die Zukunft der Kirche nicht eher armselig aus?
Mir ist der Begriff „arm-selig“ in letzter Zeit wichtig geworden: Er hat für mich einen eigenen Glanz entwickelt und die „arm-selige“ Kirche ist für mich zu einer Verheißung und einem Auftrag geworden. Aber welche Bedeutung hat das Wort in diesem Zusammenhang?
Armselig oder „arm-selig“?
Unter „armselig“ verstehen wir ärmlich, bescheiden, dürftig – gleichzeitig minderwertig und jämmerlich. In diesem Sinn eröffnet eine armselige Kirche der Zukunft eine eher bedrohliche und angsteinflößende Perspektive, vor der uns Gott bewahren möge. Manches bestätigt im Moment diesen Weg, gerade auch in der öffentlichen Diskussion zu Missbrauch und Fehlentwicklungen. Eine wertschätzende Berichterstattung über geistliche Prozesse im kirchlichen Kontext findet kaum statt. Der Blick von außen ist stark geprägt von Unverständnis, Kritik und zunehmender Distanz.
Betrachtet man „armselig“ aber mit seinen Bestandteilen „arm“ und „selig“, erschließt sich ein Horizont, der uns ganz nah an biblische und geistliche Themen heranführt. Die Kirche der Zukunft muss im Kern – nicht anders als die Kirche des Ursprungs – eine „arm-selige“ Kirche sein. Sie ist arm und selig zugleich!
Reichtum ist auch ein Klotz am Bein
Arm im übertragenen Sinn und ganz konkret: Im Neuen Testament ist Reichtum eines der größten Hindernisse der Nachfolge Jesu. Wir Menschen hängen unser Herz schnell an Besitz und Wohlstand. Unser Verlangen nach Absicherung spiegelt sich darin wider – ein Thema, das Menschen wie Kirche in unserem Kulturkreis stark im Griff hat. Und auch wenn wir dieses Bedürfnis nicht leichtfertig abhaken und mit geistlicher Arroganz übergehen dürfen: Die Angst vor Machtverlust und finanzieller Bedrohung ist eines der bestimmenden Themen der Kirchen, auch vieler (freier) Gemeinden und christlicher Werke.
Zuerst Gottes Reich im Sinn haben!
Jesus aber sagt uns: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes, so wird euch alles zufallen!“ Dieses zentrale Wort aus dem Matthäusevangelium (Kap. 6, V. 33) muss uns Maßstab und Richtschnur sein. Arme Kirche wird dann in Zukunft nicht heißen müssen, dass kein Geld zur Verfügung steht, aber es wird heißen, dass wir uns davon nicht abhängig machen, sondern auf die Versorgung durch Gottes vielfältiges Handeln vertrauen. Nicht die Absicherung der Finanzen darf und soll unser geistliches und kirchliches Leben bestimmen, sondern das Trachten nach dem Reich Gottes.
Diese „arme“ Kirche kann Besitz verwalten, ist aber in ihrem Bestand nicht bedroht durch „viel“ oder „wenig“. Armut bei Jesus macht empfänglich für die Versorgung durch Gott in allen Lebenslagen und weitet das Herz für die Not anderer, die unsere Hilfe brauchen. Diese „arme“ Kirche wird in der Lage sein, mit Freude zu geben, weil sie nicht gefangen ist durch die Zwänge des Mammons. Geistlich gesehen ist der Weg der Armut auf jeden Fall richtig.
Eine selige, glückliche Kirche ist ganz von Gott abhängig
Hier rückt der Begriff „selig“ (oder glücklich) ins Zentrum. Es ist eine „selige“ Kirche, die unter den Verheißungen und Segnungen Gottes steht – wie es Jesus in der Bergpredigt sagt (Matthäusevangelium, Kap. 5, V. 1-12): Selig seid ihr! Diese Kirche lebt aus der Erfahrung des Schutzes, der Bewahrung und der Versorgung des himmlischen Vaters, der keinen Stein gibt, wenn seine Kinder um Brot bitten (Matthäusevangelium, Kap. 7, V. 9). Weil diese Kirche Gottes Schutz und Versorgung braucht, ist sie offen für Gottes Wirken, gibt weiter, was sie empfangen hat und nimmt Anteil am Leiden der ganzen Schöpfung (Römerbrief, Kap. 8, V. 18-22), weil sie sich danach sehnt und dafür betet, dass Gott seine Herrlichkeit sichtbar werden lässt. Der Glanz der Kirche besteht nicht in prächtigen Gebäuden, sondern in einem Haus aus „lebendigen Steinen“, die sich mit ihren Gaben gegenseitig aufbauen und stärken (1. Petrusbrief, Kap. 2, V. 5).
1. Die „arm-selige“ Kirche ist eine auf ihren Herrn Jesus Christus hörende Kirche, der ihr zusagt: „Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie und sie folgen mir“ (Johannesevangelium, Kap. 10, V. 27). Mögen die öffentlichen Sympathiewerte für Kirche und Glauben schwanken und der Druck steigen, sich gesellschaftlichen Entwicklungen anzupassen, so gilt für eine „arm-selige“ Kirche stets der Auftrag zu fragen, was dem Willen Jesu entspricht.
2. Die „arm-selige“ Kirche ist und bleibt äußerlich bedroht, wie schon jetzt an vielen Orten der Welt, aber sie ist eine Kirche mit großer Leidenschaft, die ihr Licht empfängt aus der Begegnung mit dem lebendigen Gott. Jesus hat ihr verheißen, „Salz und Licht“ der Welt zu sein (Matthäusevangelium, Kap. 5, V. 13-16). Salz durchdringt die Speise, macht sie schmackhaft und beständig. Selbst wenig Salz, selbst ein kleines Licht haben große Wirkung und Strahlkraft.
3. Die „arm-selige“ Kirche ist eine ihrem Wesen nach geistlich abhängige Kirche, die weiß, dass sie angewiesen ist auf Gottes Wirken, „denn ohne mich könnt ihr nichts tun“ (sagt Jesus uns im Johannesevangelium, Kap. 15, V. 5).
4. Die „arm-selige“ Kirche ist mit ihrem Gottvertrauen zugleich ein Hoffnungsort für die Welt – gerade in Zeiten gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und ökologischer Veränderungen.
5. Die „arm-selige“ Kirche kann Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden. Sie wird die meiste Kraft und Energie eben nicht (aus Zukunftsangst) in den Erhalt des Bestehenden stecken.
Kirche als Gemeinde Jesu Christi hat (nur) Zukunft als „arm-selige“ Kirche. Dieser Weg bleibt herausfordernd. Wie genau er aussehen wird, ist nur schwer vorauszusehen. Aber: Wir müssen nicht jetzt schon alles wissen, was kommen wird. Dennoch dürfen wir jetzt schon vertrauen, dass Jesus uns durch seinen Geist leiten wird. Diese Glaubenshaltung ist die Grundlage einer „arm-seligen“ Kirche, die auch in Zukunft eine Perspektive hat.
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