Die Gen Z findet in Lobpreismusik ihren Zugang zu Gott. Holger Bartsch über die Breitenwirkung einer geistlichen Musikkultur, mit der er vor 40 Jahren nicht gerechnet hat.
Seit Mitte der 80er-Jahre kenne ich Lobpreis- und Anbetungsmusik: damals meist schlicht mit Gitarre und neuen Liedheften (heute auf großer Bühne oft mit Band, Beamer, Licht- und Bildelementen). Für mich als Teenager war es eine besondere Erfahrung, um zur Ruhe zu kommen. Einige Texte prägten sich durch Wiederholung ein und weil sie mich berührten. Wie ich es rückblickend einschätze, war Lobpreis wie eine frische Quelle guter und wertschätzender Gedanken in meiner jugendlichen Denk- und Gefühlswelt. Eine Hilfe, mal von sich wegschauen zu können und von Gott angesprochen zu werden.
95 Prozent „meiner“ evangelischen Jugendgruppen machten Lobpreis
Im Jahr 2013, inzwischen war ich Jugendpfarrer in einem Kirchenbezirk, stellte ich in den von mir zu überblickenden 30 Jugendgruppen rundherum an einem Themenabend folgende Fragen in den Raum: Was finde ich gut an Lobpreis? Was finde ich eigenartig an Lobpreis?
Es dauerte etwa ein Jahr, bis ich jede Gruppe einmal mit diesem Thema besucht hatte. Erstaunlich war, dass 95 Prozent der Gruppen Lobpreislieder sangen und die entsprechenden Liederbücher dort zur Verfügung standen. In jeder Gruppe war ein intensives Gespräch zur subjektiven Wahrnehmung von Lobpreismusik möglich.
Intensive Begegnungen mit Gott, auch im Alltag
Die Antworten vor allem auf die erste Impulsfrage – Was finde ich gut an Lobpreis? – sind von ihrer Anzahl und Intensität her erwähnenswert. Sie lauteten: „zur Ruhe finden“, „ich fühle, dass mir Gott nahekommt“, „ich spüre Gemeinschaft untereinander“. Diese Zitate stehen für eine ganze Fülle an Antworten, die in den Gesprächen geäußert wurden.
Die jungen Leute beschreiben eine Atmosphäre, die ihnen guttut. Sie fühlen sich nicht allein im Universum und gehören zu einem größeren Ganzen. Sie beschreiben auch den Einfluss auf ihren Alltag. Ausgehend von einem Text aus dem biblischen Buch der Offenbarung definierte ich Lobpreis als eine Möglichkeit, von sich selbst wegzuschauen. Wenn einen Moment lang Gott, mein Schöpfer, im Mittelpunkt steht, gehe ich verändert daraus hervor. So gut wie alle konnten damit etwas anfangen.
Das ist Kontemplation für die Gen Z
Im Verlauf dieses Jahres gewann ich den Eindruck, dass die Lobpreis- und Anbetungslieder ein Geschenk Gottes an die jungen Generationen sein müssen. Sie erleben so viel Zerstreuung, so viel Ablenkung, so viel mediale Manipulation, so eine Flut an Informationen und Verführungen. Demgegenüber ist diese Musik wie ein Geschenk Gottes, das durchsetzungsfähig ist und Generation für Generation erfassen kann. Es muss eine Art von Kontemplation sein, die für unsere Generationen wie gemacht ist. Zu traditionellen Formen der Kontemplation, die in weit zurückliegenden Zeiten entstanden, finden nur sehr wenige Zugang.
Lobpreis wurde „Mainstream“ …
Vor 40 Jahren gefiel keineswegs allen in der Kirche, was wir in unseren Freizeiten und Jugendgruppen an Lobpreis praktizierten. Mein Eindruck damals war eher, dass ich in einem sehr erbaulichen und für meine Jesusbeziehung wichtigen, aber wahrscheinlich niemals breiter akzeptierten Umfeld unterwegs war. Ich sollte mich irren. Heute gehört Begleitung von Lobpreis- und Anbetungsmusik sogar zur Ausbildung von Kantoren, wenn sie das wollen. Sie ist so weit verbreitet, dass in migrantischen Gemeinden hier in Chemnitz Lobpreis auf Farsi und in vielen anderen Sprachen zu erleben ist. Sie finden sicher selbst weitere Beispiele.
… weil der Heilige Geist seine schöpferische Kraft entfaltet hat
Mit meinem Verständnis von Kirchengeschichte sehe ich in dieser Entwicklung einen kräftigen Impuls des Heiligen Geistes. Es begann um 1970 herum mit einer Musikkultur, die Gott den Schöpfer und persönlichen Erlöser in den Mittelpunkt stellte, und nun eine gesellschaftliche Entwicklung mitbestimmt. Das Wirken des Geistes war auch in diesem Fall voll schöpferischer Kraft, es hat eine von mir nicht möglich gehaltene Breitenwirkung entfaltet und ist Teil der Kirchengeschichte geworden.
Wie bei allen guten Geschenken Gottes ist auch hier ein Missbrauch möglich: Lobpreismusik ist ein seelisch-emotionales Format, das Zugang zum Lebensgefühl von heute verspricht. Es scheint möglich, dass sich Musiker ausschließlich selbst darstellen, dass die Musik einen reinen Unterhaltungszweck hat oder sogar für bestimmte Ideologien instrumentalisiert wird. Ein verantwortlicher theologischer und seelsorgerlicher Umgang ist auch für dieses Geschenk Gottes nötig und der Kirche aufgetragen. Die GGE ist mit Freude dabei, den Impuls des Geistes in diesem Sinne zu begleiten.
Diesen und viele weitere Artikel findest du auch in der GGE App. Lade sie dir jetzt auf dein Mobilgerät bei Google Play oder im Apple App Store
Sehr ausgewogene Darstellung, insbesondere die Anmerkungen im letzten Abschnitt!
Vielen Dank für diesen Beitrag!
Toller Beitrag von Dir Holger.