Er ist ein König nicht von dieser Welt


Wie anders Jesus ist als die Herrscher dieser Welt, verdichtet sich in seinem Auftreten vor Pilatus. Henning Dobers denkt mit uns am Gründonnerstag über das Wesen unseres Herrn und Königs nach.  

Am heutigen Gründonnerstag laden wir euch ein, die Bibeltexte zur Karwoche und zu Ostern (im Johannesevangelium die Kap. 12-21) zu lesen – meditierend, im Nachdenken über unseren Herrn, offen für den Heiligen Geist.

Wenn Gedanken, Ansichten oder Verhaltensweisen, die uns völlig fremd sind, in unsere ansonsten gewohnte und vertraute Wirklichkeit hineingeraten, dann kommt das für uns „wie aus einer anderen Welt“. Wir sprechen davon, wenn das „Unnormale“ inmitten des „Normalen“ aufblitzt und es mehr oder weniger kräftig aufmischt. Manchmal irritiert uns das. Manchmal sind wir positiv überrascht. Manchmal wissen wir nicht, wie wir damit umgehen sollen. Es kommt eben „aus einer ganz anderen Welt“. Manchmal zieht es uns an, manchmal stößt es uns ab. Aber immer ist es welt-fremd – unserer Welt fremd. 

Jesus ist nicht nur wie aus einer anderen Welt. Er ist tatsächlich aus einer anderen Welt. Er ist aus Gottes vollkommen heiler Welt in unsere ziemlich kaputte Welt gekommen. Und: Er ist gekommen, um zu bleiben.  

Eine andere Variante der eingangs genannten Formulierung lautet: Jemand ist „nicht von dieser Welt“. Spätestens mit dieser negativen Steigerung meinen wir, dass jemand im eigentlichen Wortsinn „weltfremd“ ist – zu verträumt, naiv, unrealistisch. Irgendwie unpassend, mitunter störend. Anstrengend. Lästig.   

In der Tat passt auch diese Redewendung zu Jesus: Er ist nicht von dieser Welt, aber dennoch ganz in der Welt, um sie von innen heraus zu verändern, zu heilen, zu retten. 

Als der misshandelte und jämmerlich aussehende König der Juden vor Pilatus steht, dem launisch-stolzen Repräsentanten der damaligen Weltmacht, und auf Nachfrage hin antwortet: „Du sagst es: Ich bin ein König“ (Johannesevangelium, Kap. 18, V. 37), da wirkt das wie aus einer anderen Welt. Irgendwie lächerlich, ja absurd. 

Jesus hat nie ein Buch geschrieben. Er hat nie eine Armee befehligt. Er ist nie über die Grenzen seiner Heimat hinausgekommen. Er ist in jungen Jahren umgebracht worden. Aber er hat diese Welt unumkehrbar verändert wie keiner sonst. 

2000 Jahre nach dieser Szene aus dem Johannesevangelium ist die Weltmacht Rom längst untergangen (so wie viele andere Weltmächte davor und danach auch). Das Reich dieses Königs jedoch, das nie von dieser Welt war, aber in dieser Welt ist, das gibt es immer noch. Ja mehr noch: Es wächst unaufhörlich. Und es bleibt immer und ewig bestehen. 

Alle Jahre wieder von Palmsonntag bis Ostern nähern wir uns dem Geheimnis dieses sanftmütigen Königs und seines Friedensreichs. Jesus ist der einzige König ohne Eigeninteresse (im Unterschied zu so vielen Königen und Möchtegern-Königen in Geschichte und Gegenwart). Er ist nicht von dieser Welt. Sein Interesse gilt nur dem Willen des Vaters und unserer Rettung. Er ist ein König, der sein Leben lässt für seine Diener. „Normal“ ist das nicht: Ein König, der seinen Willen nicht mit Gewalt durchsetzt, sondern Veränderungen mit der Kraft seines Wortes und der ihm verliehenen Vollmacht bewirkt – mit ewigem Haltbarkeitsdatum. Er nutzt einen Esel als königliches Reittier, Pilatus hingegen ein Schlachtross. Sein Thron ist das Kreuz, alle anderen Könige sitzen weich und bequem. Er sagt immer die Wahrheit, andere Könige (oder Staatenlenker) passen ihre „Wahrheit“ ihren Interessen an – und erfinden sie auch mal komplett neu. Er ist immer Liebe, andere Könige …  

Ja, das ist wirklich aus einer anderen Welt, aber zum Glück in unserer Welt. Genau das haben wir gebraucht. Genau auf diese Weise hat er die Welt – vollkommen friedlich – überwunden. Genau das hat diese Welt gebraucht. Er wusste das von Anfang an (wir brauchen wohl noch etwas, um das zu verstehen). 

„Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn gerettet werde“ (Joh 3,17). Ein wahrhaft königlicher Weg. 

Henning Dobers

Henning Dobers ist Pfarrer und war bis 2023 Leiter der GGE Deutschland.

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