Die Bibel ist voll von Beispielen widersprechender Menschen. Sind Christen in unseren Tagen noch zum Widerspruch bereit?, fragt Swen Schönheit. Und wenn ja: Treffen sie dabei den richtigen Ton?
Die Bibel ist ein Erzählbuch, ein Buch beeindruckender Lebensgeschichten. Erstaunlich daran ist: Gott erwählt gewöhnliche Menschen und lässt sie zu erstaunlicher Größe heranwachsen. Entscheidend ist dabei ihre Bereitschaft, den Mund aufzumachen: zur richtigen Zeit und mit der passenden Botschaft. Manche von ihnen wurden dazu regelrecht getrieben. So die Propheten im Alten Testament. „Wenn ich mir aber vornehme: ‚Ich will nicht mehr an Gott denken und nicht länger in seinem Namen reden‘, dann brennt dein Wort in meinem Herzen wie ein Feuer“, beschrieb Jeremia seine undankbare Aufgabe (Kap. 20, Vers 9). Es sind unbequeme Botschaften, mit denen Gott seine Boten unter die Leute schickt. Doch sie kommen aus einem mitfühlenden Herzen. Sie sollen aufrütteln und zurückführen auf den Weg des Lebens. Wer spricht prophetisch in unserer Zeit?
Dennoch reden, weil Gott redet
Weil der Gott der Bibel sich mitteilt, müssen auch seine Leute reden: „Unser Gott kommt, und er wird nicht schweigen!“ (Psalm 50, Vers 3). Kommunikation ist der Weg, auf dem der Schöpfer seine Geschöpfe erreichen will. Er spricht zu unseren Herzen, in unser Gewissen, durch Lebensumstände, in den heiligen Schriften, durch seine Boten. Mose tritt dem Pharao gegenüber und fordert die Freilassung der Israeliten aus der ägyptischen Sklaverei. Der Prophet Nathan konfrontiert König David mit seinem Ehebruch und einem heimlichen Mord. Das jüdische Mädchen Ester verwendet sich beim persischen König für die Juden, denen die Vernichtung droht. Dass Gottes Diener und Dienerinnen ungefragt reden, manchmal unter Lebensgefahr, rettet anderen das Leben. Ihr Wort hat Macht, aber es kostet sie alles. Wenn Gott durch Menschen redet, kann das persönlich riskant werden. Wer dann schweigt, macht sich schuldig. Doch wie ist das bei uns heute? Gibt es noch diese klaren Aufträge von Gott, sodass wir in seinem Namen den Mund aufmachen, auch widersprechen müssen?
Der Wahrheit verpflichtet sein, nicht der Anerkennung
Generell gilt: Wer redet oder schweigt, muss jeweils seine Motive prüfen. Es gibt ein Schweigen aus Weisheit, aber auch aus Feigheit. Es gibt ein Reden aus Verpflichtung zur Wahrheit, aber auch zur eigenen Selbstdarstellung. Jesus hat vor Gericht sowohl geschwiegen als auch polarisiert. Manchmal ist Schweigen auch eine Antwort und lässt die falsche Argumentation auflaufen. Wo die Männer und Frauen der Bibel den Mund aufmachten und dabei unbewusst ein Stück Weltgeschichte schrieben, hatten sie eine Botschaft, die größer war als sie selbst. „Wir können unmöglich verschweigen, was wir gesehen und gehört haben!“, sagen die Apostel Petrus und Johannes in der Apostelgeschichte (Kap. 4, Vers 20). Jesus hat seine Schüler als „Zeugen“ bezeichnet. Damit geht es um die Sache, nicht mehr um das eigene Ich. Zeugen treten ein, sie treten zurück hinter dem „Fall“, sie wollen eine gute Lösung.
Den richtigen Ton treffen – um Gottes willen!
Die Auseinandersetzung zieht sich durch die Zeiten: Wahrheit und Lüge, Gerechtigkeit und Gesetzlosigkeit, Frieden und Krieg, Leben und Tod stehen bis heute auf dem Spiel. Auch der Prozess um die Rolle von Jesus ist für die Menschheit nicht abgeschlossen. Christen sind darin Zeugen, denn sie haben etwas „gesehen und gehört.“ Dabei lassen sie sich „durch nichts und niemanden einschüchtern“, was Petrus übrigens am Beispiel einer mutigen Frau (Sara) hervorhebt (1. Petrusbrief, Kap. 3, Vers 6).
Im Neuen Testament können wir eine faszinierende Entwicklung verfolgen: Die Botschaft vom gekreuzigten und auferstandenen Jesus breitet sich international aus. Von Jerusalem über Athen bis Rom werden immer neue kulturelle Hürden genommen, wird um kommunikative Zugänge zu unterschiedlich geprägten Menschen gerungen, wird die Sprache angepasst. Vor allem Paulus erweist sich als wacher Zeitgenosse und zugleich kultursensibler Botschafter für das Evangelium: Einer Bevölkerung, die tief in der Verehrung heidnischer Götter steckt, begegnet er ebenso mit der Botschaft vom „lebendigen Gott“ wie seinen jüdischen Volksgenossen in der Synagoge. Er diskutiert in Athen mit griechischen Philosophen und bezeugt den auferstandenen Christus vor römischen Politikern. Die Apostelgeschichte zeigt eindrücklich: Die Art, wie die „gute Botschaft“ kommuniziert wird, ist ebenso entscheidend wie die Frage nach ihrem Inhalt (Kapitel 14, 17, 24).
In unserer Zeit erleben wir, wie Kommunikation immer mehr zum Schlachtfeld wird. Das Zuhören gelingt immer schlechter, die Töne werden schriller. Kommunikation ist aber auch ein Schlüssel. Dabei ist es von entscheidender Bedeutung, dass Christen nicht nur mutig den Mund aufmachen, sondern auch den richtigen Ton treffen. Ist uns klar, wofür wir stehen? Und sind wir bereit, mit der richtigen Botschaft aufzustehen?