Ein charismatischer Influencer sagt an, was dran ist

Haarige Kluft statt hippe Klamotten. Provokation statt Anpassung. Johannes der Täufer hatte als Aussteiger in der Wüste eine einzigartige Mission: auf Jesus hinzuweisen und eine neue Zeit einzuläuten. Auch wir befinden uns in einer Übergangszeit. Plötzlich wird Johannes der Täufer auf ganz neue Weise aktuell. In einer vierteiligen Reihe zum Advent setzt uns Henning Dobers auf seine Spur. Teil 1: Der demütige Diener moderiert den Übergang.

Profilbild Johannes der Täufer
Es war ein Mensch, von Gott gesandt, der hieß Johannes. Der kam zum Zeugnis, damit er von dem Licht zeuge, auf dass alle durch ihn glaubten. Er war nicht das Licht, sondern er sollte zeugen von dem Licht. (...) Johannes (...) ruft: Dieser war es, von dem ich gesagt habe: Nach mir wird kommen, der vor mir gewesen ist; denn er war eher als ich. Von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade. Denn das Gesetz ist durch Mose gegeben; die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden.

 Johannesevangelium, Kap. 1, V. 6-8 und 15-17

Johannes der Täufer und Advent: Das gehört zusammen.

Sein Leben und Wirken ist von daher eine starke Ermutigung und Inspirationsquelle für Schwellenzeiten aller Art. Johannes befand sich weder vor noch hinter der Schwelle, er befand sich auf der Schwelle. Er widerstand einer doppelten Versuchung: dem Alten nachzutrauern oder es abzuwerten und andererseits eigenmächtig das Neue herbeizuführen. Er hielt die Spannung auf der Schwelle aus. Er verkörpert die Spannung von „noch nicht“ und „schon jetzt“, von „es geht bald los“ und „es ist noch nicht so weit“. Er war im Einklang mit seiner besonderen Berufung und hatte doch zugleich immer wieder mit Verunsicherungen und Anfechtungen zu kämpfen.

Er steht wie kaum eine andere Person der Bibel für eine Übergangszeit: Das Alte – das Gesetz durch Mose – geht zu Ende, das Neue – Gnade und Wahrheit durch Jesus Christus –  ist noch nicht da. Er lebte in der geduldigen Erwartung des Neuen, ohne das bisher Gültige eigenmächtig über Bord zu werfen.

Und dies ist das Zeugnis des Johannes, als die Juden zu ihm sandten aus Jerusalem Priester und Leviten, dass sie ihn fragten: Wer bist du? Und er bekannte und leugnete nicht, und er bekannte: Ich bin nicht der Christus. Und sie fragten ihn: Was dann? Bist du Elia? Er sprach: Ich bin's nicht. Bist du der Prophet? Und er antwortete: Nein. Da sprachen sie zu ihm: Wer bist du dann?, dass wir Antwort geben denen, die uns gesandt haben. Was sagst du von dir selbst? Er sprach: „Ich bin die Stimme eines Predigers in der Wüste: Ebnet den Weg des Herrn!“, wie der Prophet Jesaja gesagt hat (Jesaja 40,3). Und sie waren abgesandt von den Pharisäern, und sie fragten ihn und sprachen zu ihm: Warum taufst du denn, wenn du nicht der Christus bist noch Elia noch der Prophet? Johannes antwortete ihnen und sprach: Ich taufe mit Wasser; aber er ist mitten unter euch getreten, den ihr nicht kennt. Der wird nach mir kommen, und ich bin nicht wert, dass ich seine Schuhriemen löse. Dies geschah in Betanien jenseits des Jordans, wo Johannes taufte. Am nächsten Tag sieht Johannes, dass Jesus zu ihm kommt, und spricht: Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt! Dieser ist's, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, der vor mir gewesen ist, denn er war eher als ich. Und ich kannte ihn nicht. Aber damit er offenbar werde für Israel, darum bin ich gekommen zu taufen mit Wasser. Und Johannes bezeugte es und sprach: Ich sah, dass der Geist herabfuhr wie eine Taube vom Himmel und blieb auf ihm. Und ich kannte ihn nicht. Aber der mich gesandt hat zu taufen mit Wasser, der sprach zu mir: Auf welchen du siehst den Geist herabfahren und auf ihm bleiben, der ist's, der mit dem Heiligen Geist tauft. Und ich habe es gesehen und bezeugt: Dieser ist Gottes Sohn. 

Johannesevangelium, Kap. 1,V. 19-34

Johannes ist das lange im Voraus angekündigte Bindeglied zwischen Altem und Neuem Bund.

Wie in einer Art Schnittmenge verkörpert er die Werte und Traditionen von Gesetz und Propheten und weist doch zugleich in Verkündigung und Lebensstil auf den Anbruch einer neuen Phase im Reich Gottes hin: „Die Zeit des Gesetzes und der Propheten ist mit Johannes zu Ende gegangen. Seitdem wird die Botschaft vom Reich Gottes verkündet, und jeder versucht mit aller Gewalt, hineinzukommen“ (Lukasevangelium, Kap. 16, V. 16 | NGÜ). Er ist der Wegbereiter des kommenden Messias, ein Vorbote Jesu: „Nach mir wird kommen, der vor mir gewesen ist; denn er war eher als ich“ (Johannesevangelium, Kap. 1, V. 15). „Nach mir kommt der, der stärker ist als ich; ich bin nicht wert, dass ich mich vor ihm bücke und die Riemen seiner Schuhe löse“ (Markusevangelium, Kap. 1, V. 7). Johannes ist die Vorgruppe, bevor die Hauptperson auf die Bühne kommt.

Das letzte Buch des Alten Testaments endet mit einer Prophetie: „Siehe, ich will euch senden den Propheten Elia, ehe der große und schreckliche Tag des HERRN kommt. Der soll das Herz der Väter bekehren zu den Kindern und das Herz der Kinder zu ihren Vätern, auf dass ich nicht komme und das Erdreich mit dem Bann schlage“ (Maleachi, Kap. 3, V. 23-24). Das Neue Testament beginnt im Lukasevangelium mit der Ankündigung der wunderbaren Geburt von Johannes.

„Fürchte dich nicht, Zacharias, denn dein Gebet ist erhört, und deine Frau Elisabeth wird dir einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Johannes geben … Und er wird viele der Israeliten zu dem Herrn, ihrem Gott, bekehren. Und er wird vor ihm hergehen im Geist und in der Kraft des Elia, zu bekehren die Herzen der Väter zu den Kindern und die Ungehorsamen zu der Klugheit der Gerechten, zuzurichten dem Herrn ein Volk, das wohl vorbereitet ist“.

Lukasevangelium, Kap. 1, V. 13-17

Jesus bestätigt später ausdrücklich, dass er tatsächlich der verheißene Elia war, aber nicht als solcher erkannt wurde: „Elia ist gekommen, und sie haben ihm angetan, was sie wollten, wie von ihm geschrieben steht“ (Markusevangelium, Kap. 9, V. 13).

Viele Bibelausgaben haben zwischen dem Alten und dem Neuen Testament eine leere Seite, ein unbedrucktes Blatt. Es ist Zwischenzeit. Übergang. Schwellenzeit. Das ist die Zeit, in der Johannes der Täufer als Gottes Influencer mit einem provokativen Lebensstil und einer einzigartigen Botschaft auf den Plan trat.


Kommen wir ins Gespräch!

  • Wie würden wir unsere Zeit beschreiben – was geht zu Ende, was kündigt sich an?
  • Hat es vergleichbare (Übergangs-)Zeiten in Kirchen- und Heilsgeschichte gegeben?
  • Kenne ich Übergangszeiten im persönlichen Leben oder in der Gemeinde? Was ist typisch für solche Phasen? Wie fühlt sich das an?
  • Johannes hat seine Berufung als Wegbereiter, als „Freund des Bräutigams“ oder auch „ewige Nummer zwei“, angenommen. Er ist weder darüber hinausgegangen noch  dahinter zurückgeblieben. Können auch wir unsere jeweilige Berufung benennen und annehmen?

Bibelstellen nach: Luther (2017), Neue Genfer Übersetzung (NGÜ, 2011)

Der Beitrag erscheint Anfang Dezember unter der Überschrift „Johannes der Täufer: Auf der Schwelle zwischen gestern und morgen“ in der aktuellen GEISTESGEGENWÄRTIG „Schwellenzeit“.

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Henning Dobers

Henning Dobers ist Pfarrer und 1. Vorsitzender der GGE Deutschland.

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3 Gedanken zu “Ein charismatischer Influencer sagt an, was dran ist

  1. Hallo Henning, wir haben im Hauskreis Johannes 1 und 2 besprochen. Der Ausdruck „Schwellenzeit“ hat uns sehr gefallen. Auch bei meiner Bibel ist ein unbedrucktes Blatt zwischen dem Alten und Neuen Testament. Das ist mir noch nie aufgefallen. Beeindurckend!

    Eine Frage ist bei uns aufgekommen: „Warum soll Elia vor Jesus kommen?“ Auf welche Stellen (außer Mal. 3, 23-24) begründet sich die Ansicht der Schriftgelehrten? Jesus bezeugt es, dass Johannes Elia ist. Und die Schriftgelehrten sagen auch, dass Elia vorher kommen soll.

    1. Hallo Sonja,

      ihr fragt: „Warum soll Elija kommen?“. Tja, wenn ich das wüsste… Ich habe bisher nur die Erklärung, dass Gott in seiner Souveränität und Weisheit bestimmt hat, dass Elija kommen soll. Warum es ausgerechnet Elija sein sollte, weiß ich (noch) nicht. Zusammen mit Mose gilt er als der ganz große Bote und Prophet Gottes im Alten Bund. Auf dem Berg der Verklärung erscheinen beide Jesus in einer Wolke und reden mit ihm (was ja bedeutet, dass sie jetzt lebendig vor dem Herrn in der Ewigkeit sind, vgl. Mt 17,3). Die letzten Verse des Alten Testaments haben ebenfalls beide Gestalten zum Thema (Mal 3, 22-24).

      Es könnte sein, dass das das Auftreten einer Elija-Persönlichkeit für die Menschen ein Zeichen sein sollte, dass der Tag des Herrn unmittelbar bevorsteht. Quasi ein Augenöffner, ein Hinweis Gottes, dass es bald so weit ist. Aber als es dann soweit war, haben sie ihn nicht erkannt.
      Also: bisher kann ich nur sagen: Gott hat es so geordnet, aber warum er das so gemacht hat, weiß ich leider nicht. Vielleicht hat jemand anderes eine Erklärung?

  2. Johannes der Täufer wurde berufen, den Weg zu bereiten. Er erkannte den Neuen, Jesus, auf den hin er vorbereitet wurde und auf den er vorbereiten sollte. Aber was da kommen würde und wie stellte er sich doch etwas anders vor. Geht es uns da genau so? Zu ahnen auf der Schwelle zu sein, aber das was und wie ist doch noch im Nebel. Bin gespannt, wie uns da der Geist Gottes mit Johannes dem Täufer durch den Nebel führt hin zum sehen. Und wie die Teile hier weitergehen.

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