Swen Schönheit, Sara Lorenz-Bohlen und Lothar Krauss geben persönliche Einblicke, welche Rolle Politik in ihrer Kirche spielt und was sie Christen im politisch aufgeheizten Klima empfehlen.
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„Meet the leader“-Talk auf der „Mutig & stark“-Konferenz der GGE im BEFG (v. li.): Matthias Lotz, Lothar Krauss, Sara Lorenz-Bohlen, Swen Schönheit, Tillmann Krüger (Braunschweiger Friedenskirche). Foto: GGE im BEFG / YouTube @gemeindeerneuerung
Mit dem Thema „Mutig & stark“ ist vor Kurzem eine Konferenz der Geistlichen Gemeindeerneuerung im BEFG zu Ende gegangen. Bei einer „Meet the leader“-Talkrunde hat deren Leiter Matthias Lotz drei Gemeindeleitende gefragt, inwiefern sie in der Gemeinde politisch werden: Swen Schönheit (1. Vorsitzender der GGE Deutschland und Pfarrer i.R. in der EKBO), Sara Lorenz-Bohlen (Pastorin der Kirche im Pott und Sängerin) und Lothar Krauss (Pastor der VivaKirche Mannheim).
Matthias Lotz: Wie redet ihr über politische Themen – auch jetzt vor der Bundestagswahl? Wo seid ihr diplomatisch-neutral oder wo schlagt ihr eine Kerbe ein? Bezieht ihr etwa Position zu Gender-Themen oder zu aufkommendem rechtsradikalen Denken unter Christen? Oder sagt ihr, das ist ein Minenfeld und Gemeindewachstum funktioniert am besten, wenn man sich da heraushält?
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Swen Schönheit: Nach einem Synodenbeschluss 2016 [der Ev. Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Anm. d. Red.], dass die Trauung aller Geschlechter in unserer Landeskirche gleichberechtigt stattfinden soll, haben wir mit einer kleinen „Initiativgruppe“ fünf Jahre lang gekämpft – nicht gegen diesen Beschluss, sondern für die bloße Gewissensfreiheit, das als Pfarrer oder Pfarrerinnen nicht tun zu müssen. Frei nach Luther in Worms: Ich bin an mein Gewissen gebunden und von der Heiligen Schrift her nicht überzeugt. Diese Gewissensfreiheit ist heute abgeschafft. Und ohne Zorn und Eifer: Ich tu es schlichtweg nicht. Wir müssen hier eine Kultur finden, wie wir in Güte mit denen umgehen, die anders denken und anders empfinden als wir, ohne uns selbst zu verbiegen. Das ist das eine. Das zweite: Vor Kurzem hatte ich das Vorrecht, zum Abschluss der Gebetswoche der Evangelischen Allianz in der Johanniskirche in Magdeburg zu predigen [die nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt zum Gedenkort wurde, Anm. d. Red.]. Jemand aus Magdeburg sagte mir: „Der Anschlag hat uns im Gebet nach vorne gebracht“ … und ich sah dort eine Allianz, die aufsteht im Gebet – „pray for Magdeburg“ [dieser Ruf ging auf Social Media viral, Anm. d. Red.]. Ich glaube, wir erleben gesellschaftlich gerade eine Art Gegenbewegung zur bisherigen Politik, was sich ja auch in Wahlergebnissen und Prognosen zeigt. Und es gibt im Blick auf die letzten Jahre politisch gewiss einiges auszukorrigieren. Ins Lager von uns Christen möchte ich jedoch sagen: Hüten wir uns vor dem Geist der Empörung! Der hat keine gute Prognose. Während der Wüstenwanderung ist das Volk Israel da reingerutscht – mit schlimmen Folgen! Ich kann in der Sache recht haben, ich kann auch klar ethische Grenzen ziehen und anmahnen, dass Dinge schiefgelaufen sind. Aber wenn wir im Geist der Empörung und des Vorwurfs unterwegs sind, liegt kein Segen darauf. Ich glaube, das ist wichtig gerade für diese Zeit!
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Sara Lorenz-Bohlen: Ich brauche lange, um mir eine wirklich klare Meinung zu bilden zu bestimmten Themen, die ich dann auch so kommunizieren oder posten würde. Ich finde das schwierig, aber ich merke, dass Gott mich da in letzter Zeit stärker herausfordert, mich davor nicht zu scheuen. Es ist aber wichtig, da in eine Besonnenheit zu finden, sich nicht zu schnell zu empören oder auf jeden Zug aufzuspringen, der kommuniziert wird, sondern sich Zeit zu nehmen, zu reflektieren, zu überlegen, was passiert hier gerade? Und das in einem Umfeld, wo sehr schnell irgendetwas gepostet wird … Social Media insgesamt sind ja so angelegt, dass gerade die polarisierenden Beiträge gepusht werden und viele Likes und Kommentare bekommen; das ist eine Welt, die fördert, dass sich Meinungen polarisieren. Ich finde es schwierig, wenn Christen da einfach mitmachen. Bei uns in der Kirche finden wir erst noch einen guten Weg, wie viel wir politisch sagen oder auch nicht. Mein Mann Renke und ich wurden schon von Gemeindemitgliedern ein bisschen dahin gepusht, doch mal mehr zu einem Thema zu sagen, politischer in unseren Predigten zu werden, aber bei mir muss das nachreifen … Ich muss wirklich das Gefühl haben, aus Besonnenheit zu sprechen und nicht einfach nur aus einer Reaktion heraus, in der ich nachspreche, was alle anderen auch sagen. Ich bin da noch in einem Prozess.
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Foto: Steve Volke
Lothar Krauss: Das Geheimnis von Wirksamkeit heißt Fokus. Als Kirche musst du dich fokussieren: Bei welchen Themen hast du wirklich Kompetenzen in deinen eigenen Reihen? Themen sind oft komplex, Kontexte sind vielschichtig. Das zu verstehen, ist eine Grundhaltung. Wir haben für uns als Kirche ein paar „Hügel“ definiert, auf denen wir gewinnen wollen (es gibt natürlich noch mehr, aber wir wollen nicht auf allen gewinnen). Praktisch heißt das: Wir sprechen diese Themen eher positiv an. Mich als Pastor fordert zum Beispiel die Beziehungsethik am stärksten heraus. Von meiner Hermeneutik, meiner Bibelauslegung, bin ich da ganz klar und das bedeutet in meiner Verkündigung: Wann immer ich die verbindliche Bundespartnerschaft zwischen Mann und Frau, sprich Ehe, fördern, fordern, feiern, herausstellen kann, mache ich das. Ich unterstreiche ganz stark das von uns verstandene Bild und auf diese Weise formen wir Werte. Mit unseren Leitern und Leiterinnen thematisieren wir diese Dinge noch einmal offener. Politisch leiden wir unter dem Diktat der linksliberalen Positionen von Parteien, die uns sagen wollen, wie wir moralisch zu denken haben. Das fordert uns heraus. Hardliner hätten gern, dass ich an diesen Stellen etwas zu gleichgeschlechtlichen Partnerschaften oder anderen Themen sage, aber dem verweigere ich mich an dem Punkt. Auf dem Leiterblog schreibe ich schon seit zwölf Jahren von „Leiterinnen und Leitern“ und bin von einem Hardliner angeschrieben worden, ob ich jetzt auch gendern würde. Allein so eine Frage! Können wir nicht ein bisschen versuchen herauszufinden, was das Anliegen des anderen ist? Wenn Leute gendern, muss ich doch mal fragen, „warum machst du das?“ Da höre ich Diskriminierungserfahrungen von jungen Frauen, die mich so betroffen machen, und sage: Aufs Gendern habe ich jetzt nicht so Bock, aber diese Erfahrung, die diese junge Frau kassiert hat, die finde ich unmöglich! Und dass die vielleicht noch im Namen von Jesus und im kirchlichen Rahmen passiert ist, finde ich unmöglich! An diesen Stellen würden wir aufstehen. So predigen wir mehr unsere Werte und Grundüberzeugungen, unsere Grundethik, und halten uns bei tagesaktuellen politischen Fragen eher zurück.
Unser Beitrag ist ein bearbeiteter Ausschnitt der Talkrunde vom 24.1.2025. Das vollständige Gespräch findest du hier.
Weitere Videos von der „Mutig & stark“-Konferenz mit Swen Schönheit, Sara Lorenz-Bohlen und Lothar Krauss.
Hm, ich weiß nicht ob unsere theologischen Befindlichkeiten wirklich immer noch schwerer wiegen als die echte Existenzangst von Menschen mit Migrationshintergrund, aus dem LGBTIAQ Milieu oder anderen Gruppen, die als „nicht normal“ gestempelt werden.
Ich bin mit Widerstand gegen den Zeitgeist groß geworden, und er ist nicht plötzlich mein Freund, wenn er nach rechts schwenkt.
Ich habe große Probleme mit eine Wischt-Waschi-Kirche, die das Bekenntnis zu Jesus Christus als ihrem Herrn scheut, und stattdessen öko-sozial-moralische Gesetzlichkeit predigt.
Ich habe aber auch sehr große Probleme mit einer frommen Bewegung, die eine Wischi-Waschi Haltung zu Ausgrenzung, Menschenfeindlichkeit, Lüge und Hass hat.
Wer heute noch von „Diktat“ redet, während eine Demokratie nach der anderen zu einer Diktatur der Normalitären umgebaut wird, hat wirklich den Schuss nicht gehört.
Der Feind steht rechts, und ja: Da müssen wir Christen politisch sein, nicht weil wir einem Zeitgeist, einem „Diktat“ oder einer Partei oder Regierung folgen.
Sondern weil wir Jesus folgen.
Philipp Kurowski