Gemeinde hat den Auftrag zu heilen, zu trösten, zu begleiten

9. Christlicher Gesundheitskongress am 9.-11. Mai: Georg Schiffner spricht mit Eva Heuser über eine notwendige neue Kultur der Fürsorge in den Gemeinden.  

Herr Schiffner, in sechs Wochen startet der 9. Christliche Gesundheitskongress von Christen im Gesundheitswesen (CiG) und weiteren christlichen Organisationen. Als CiG-Vorsitzender sind Sie mit den Vorbereitungen jetzt mitten im Endspurt. Für wen ist der Kongress wichtig? 

Für Christen, die beruflich oder ehrenamtlich im Gesundheitswesen arbeiten oder in unseren Gemeinden Menschen in Krankheit oder Not begleiten. Gerade diese Zusammenschau beider Bereiche ermöglicht der Christliche Gesundheitskongress – das gibt es in Deutschland gar nicht so oft. 

Kongressthema ist „Ich kümmere mich um dich“. Der Untertitel „Heilen, Trösten, Begleiten“ klingt wie ein Buch des im vergangenen Jahr verstorbenen baptistischen Pastors Heinrich Christian Rust, der sich für die charismatische Bewegung und das Wirken des Heiligen Geistes stark gemacht hat. Das war doch Absicht … 

Ja, Heinrich Christian Rust war über viele Jahre Mitglied im Kongress-Vorstand. Im Miteinander-unterwegs-Sein ist dieser Titel entstanden. Gerade in der Geistlichen Gemeinde-Erneuerung haben wir viel zum Thema heilende Dienste gearbeitet. Es braucht diese Ergänzung: Wenn zum Beispiel eine körperliche Heilung nicht wie erhofft eintritt, ist aus christlicher Perspektive ganz viel an weiterer Begleitung und Tröstung möglich. Daraus ist der Dreiklang „Heilen, Trösten, Begleiten“ entstanden und Heiner Rust hat diese Vision ganz wunderbar im Buch [Untertitel „Die Heilungskompetenz der christlichen Gemeinde“, Anm. d. Red.] aufgenommen. 

Wie hängen für Sie Glaube und Gesundheit zusammen? Jesus hat sein heilendes Handeln im Neuen Testament häufig mit dem Zuspruch der Sündenvergebung kombiniert. 

Dazu gibt es sicher sehr verschiedene Zugänge. Geht man vom biblischen Wort aus, braucht es Auslegung und Erklärung. Denn natürlich ist Krankheit nicht immer mit persönlicher Schuld verbunden. Krank zu werden gehört zu unserem Leben, zu unserer Geschöpflichkeit dazu. Und trotzdem ist die Frage nach meiner Mitverantwortung auf dem Weg des Gesundwerdens da – sodass sowohl das Gesundheitswesen wie auch die Gemeinde gefordert sind. In der Medizin befasst sich seit rund 20 Jahren die Disziplin „Spiritual Care“ mit dem Zusammenhang von Glaube und Gesundheit und hat für einen unglaublichen Boom in der wissenschaftlichen Forschung gesorgt. Was können wir lernen aus der Spiritual-Care-Forschung und wie passt das mit einer Vision von „Christian Care“, also einer christlichen Fürsorgekultur, zusammen? Das wird auf dem Kongress ein Schwerpunkt sein, verbunden mit der Frage, wie das in Beruf, Gesundheitswesen und Gemeinde umsetzbar ist. 

Einsamkeit als krankmachender Faktor bekommt zunehmend Aufmerksamkeit, umgekehrt kann Krankheit zu Einsamkeit führen. England hat seit ein paar Jahren sogar ein eigenes Einsamkeits-Ministerium. Wie können Gemeinden hier stärker aktiv werden und sozialer Isolation entgegenwirken helfen? 

Diese zentrale Frage werden wir auch auf dem Kongress sehr bedenken. Michael Bendorf aus der Braunschweiger Friedenskirche wird zum Beispiel im Plenum vortragen, wie sie dort Fürsorge für Kranke leisten. Eine ganze Reihe von Seminaren dreht sich um den ehrenamtlichen Einsatz für Kranke in der Gemeinde. In Deutschland haben wir sehr verschiedene Modelle, in landeskirchlichen Gemeinden vielleicht andere als in Freikirchen, in Städten andere als auf dem Land. Alles hat seine Stärken, braucht aber Reflexion. Gemeinden sollten klären, wer ihr Ansprechpartner in Gesundheitsfragen sein kann – denn den professionellen Blick und die Impulse von Fachleuten braucht auch die Gemeinde. Ich leite eine Fachstelle für Gesundheitsfragen in Kirchengemeinden und wir untersuchen gerade die christliche Gesundheitskompetenz in einer kleinen Studie: Was rechnen wir in der Gemeinde zu diesem Bereich? Was brauchen wir? Was wünschen wir uns? 

Der Bedarf reicht wahrscheinlich von der Klärung theologischer Fragen bis hinein in medizinisch-therapeutische und seelsorgliche Dimensionen. 

Genauso ist es. Die Gemeinde ist aus der christlichen Grundüberzeugung gewachsen, dass eine vom Heiligen Geist geprägte Gemeinschaft eine ganz andere Dynamik einbringen kann. Unser Gesundheitswesen ist hochtechnisiert und sehr eng getaktet. Eine ganzheitliche Fürsorge für den Menschen ist in diesem Rahmen schwierig umzusetzen. Wir können medizinisch herausragende Dinge leisten, aber wir brauchen zusätzlich die „Caring Communities“, die Fürsorgegemeinschaften, die sich im ganzheitlichen Sinn um die Kranken kümmern. 

Gemeinden könnten da eine Lücke füllen und vielleicht sogar eine gesellschaftlich wahrnehmbare Rolle einnehmen? 

Ich glaube, dass das gesundheitsfördernde Potenzial in unseren Kirchengemeinden noch mehr Beachtung braucht. Ich wünsche mir, dass in unserem Gesundheitswesen Dinge gesagt würden wie: „Ah, Sie gehen in diese Gemeinde, da sind Sie ja gesundheitlich gut begleitet.“ Weil wir etwas einbringen können, was das Gesundheitswesen in dieser umfassenden Weise nicht einbringen kann. 

Die Referenten des Kongresses decken ein breites Spektrum ab, was ihren konfessionellen Hintergrund angeht sowie ihre theologische, medizinische und therapeutische Fachkompetenz. Sie selbst leiten einen Workshop „Christliche Gesundheitskompetenz in der Gemeinde entwickeln“. Welche Schritte könnten Gemeinden hier gehen? 

Ein wichtiger Ausgangspunkt ist, dass „Heilen, Trösten, Begleiten“ überhaupt als Aufgabe von Gemeinde gesehen und von der Leitung als wichtig und kostbar erachtet wird. In den meisten Gemeinden gibt es Fachleute aus Pflege, Therapie, Medizin, mit denen man ins Gespräch gehen kann. Man könnte einen Ansprechpartner für Gesundheitsfragen kommunizieren, der eine Brücke ins etablierte Gesundheitswesen schlagen kann. Ein anderer Ansatz ist zu schauen, was schon da ist: Viele Gemeinden haben einen Besuchsdienst oder bieten zum Beispiel Gebet für Kranke nach dem Gottesdienst an. Auf dieser Basis könnte in der Gemeindeleitung dann über weitere mögliche Schritte nachgedacht werden. 

Sie sprechen auf dem Kongress auch aktuelle Krisen und Konfliktthemen an. Lena Levin, Traumatherapeutin aus Jerusalem, thematisiert die komplexen Traumata in Israel nach dem 7. Oktober 2023. Zwei Workshops befassen sich mit den Themen Transgender und ungewollte Schwangerschaft. 

Das ist uns wichtig, denn einerseits brauchen wir eine Vision und andererseits die Verankerung im Hier und Heute. Manche Fragestellungen brauchen dabei den geschützteren Rahmen eines begrenzten Workshops. Beim Transgender-Workshop einer Psychotherapeutin geht es vor allem darum, wie ich in der Familie mit diesem Thema umgehen kann. Es ist uns auch ein Anliegen, diese „großen Themen“ auf die persönliche und konkrete Ebene zu holen. 

Das sind Themen, wo es Menschen vielleicht auch nicht immer leichtfällt, die richtige Anlaufstelle zu finden.

Dass Begegnung geschieht, ist uns für den Kongress ganz wichtig. Dafür haben wir auf dem Gelände des Klosters Volkenroda ganz wunderbare und kreative Möglichkeiten: vom Zelten, dem Übernachten in der Pilgerherberge oder in komfortablen Zimmern bis hin zu großen Begegnungsflächen mit Infoständen von geistlichen Werken und christlich orientierten Kliniken. Wir möchten ein Klima schaffen, in dem es Spaß macht zusammen zu sein und interessante Menschen kennenzulernen und wo sich verschiedene Generationen wohlfühlen. Worship wird eine Bedeutung haben und neben den Vorträgen und Seminaren wird es auch Aktionen mit Eventcharakter geben. 

Der 9. Christliche Gesundheitskongress

Wann: 9.-11. Mai 2025
Wo: Kloster Volkenroda (Thüringen)
Thema: „Ich kümmere mich um dich“. Heilen, Trösten, Begleiten in Gesundheitswesen und Gemeinde
Infos und Anmeldung hier

Workshops der GGE auf dem Gesundheitskongress

Workshop 113: Das Buch „Gemeinsames Leben“ von Dietrich Bonhoeffer stellt Jochen Weise als Modell für eine Gemeinschaft der Pflege vor. Jochen Weise ist 1. Vorsitzender der GGE Nord, Pastor der Eastside Christliche Gemeinde in Hamburg und im Vorstand des Christlichen Gesundheitskongresses.

Workshop 305: Die vielfältigen Charismen der Heilung in Gesundheitswesen und Gemeinden thematisieren Christoph und Christine Siekermann. Christoph Siekermann ist ev. Pfarrer und Mitglied des Leitungskreises der GGE Westfalen, Christine Siekermann arbeitet als Gestalttherapeutin, Gebetsseelsorgerin und Referentin.

Christen im Gesundheitswesen e.V. (CiG) entstand aus einer überkonfessionellen Gruppe von Christen aus Pflege-, ärztlichen und therapeutischen Berufen, die sich 1986 in Hamburg regelmäßig zu Austausch und Gebet zu treffen begannen. 1988 veranstaltete CiG eine erste bundesweite Tagung. Der 1. Christliche Gesundheitskongress in Kassel 2008 und weitere wurden gemeinsam von CiG und GGE Deutschland und anderen initiiert.

Georg Schiffner

Dr. med. Georg Schiffner ist Facharzt für Innere Medizin, Naturheilverfahren, Geriatrie und Palliativmedizin. Er leitet die Fachstelle für Gesundheitsfragen in Kirchengemeinden und ist Vorsitzender von Christen im Gesundheitswesen (CiG).

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