Keine Sorge?!


Corona, Ukrainekrieg, Trump: Sicher geglaubte Freiheiten, Frieden und die weltpolitische Ordnung sind massiv erschüttert worden. Wie wir in bedrückenden Zeiten wie diesen einen klaren Kopf behalten, sagt Swen Schönheit.  

„Sorgt euch nicht und habt keine Angst!“ (Johannesevangelium, Kap. 14, V. 27)

„Viele Menschen werden den Mut verlieren … dann richtet euch auf und hebt den Blick, denn eure Erlösung ist ganz nahe!“ (Lukasevangelium, Kap. 21, V. 26 u. 28)

Seit Jahren erreichen uns immer neue Wellen von bedrückenden Nachrichten und verunsichernden Entwicklungen. Ich erinnere mich gut daran, wie wir im Februar 2020 als Leitungskreis der GGE Deutschland beisammensaßen und die größere ökumenische Konferenz „pfingsten21“ planten. Aber da würde ja jetzt so ein Virus aus China zu uns kommen … Ab März legte Corona das Leben weitgehend lahm und alle Planung war dahin. „Lockdown“ wurde zum Stichwort für soziale Einschnitte, die Kirche und Gesellschaft so noch nie erlebt hatten. Im Rückblick stellen sich viele Fragen: Welche Maßnahmen waren überzogen, welche Fehler wurden gemacht? Wo wurde einseitig kommuniziert, wo hat die Gesellschaft, wo haben Einzelne dadurch Schaden genommen? Die Aufarbeitung steht bis jetzt noch aus.

Hört das denn nie auf?

Genau zwei Jahre später kommt es zum Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. 2022 gilt als Jahr der „Zeitenwende“. Fast jeder führende Politiker hat seitdem den Krisenmodus der letzten Jahre beschworen: Unser Leben läuft mit Sand im Getriebe und unsere Regierenden eilen den Entwicklungen nur noch hinterher. Die Welt scheint nicht mehr zur Ruhe zu kommen!

Und drei Jahre später nun das: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wird im Weißen Haus vor laufenden Kameras vorgeführt und von Donald Trump beschimpft. Der US-Präsident scheint die Lesart von Putin zu übernehmen. Offenbar hat die Stunde der Autokraten geschlagen! Europa ist aufgeschreckt und ringt um eine gemeinsame, wehrhafte Position.

Derweil kann sich Trump in den USA einer breiten Unterstützung durch die Gläubigen sicher sein. Auf Youtube lässt sich verfolgen, wie vor Sitzungen im Kabinett gebetet wird. Es kursieren „prophetische“ Worte über Trump, manche sehen in ihm einen „Gesalbten“ wie damals der persische König Kyrus. Vor allem Christen in Europa sind verstört. Wir sind aufgrund unserer Geschichte äußerst reserviert gegenüber allzu engen Verbindungen von Politik und Religion. Und es fröstelt uns bei der Erinnerung an die dunkelsten Jahre, als Adolf Hitler von einer Mehrheit in der evangelischen Kirche als „wahrer Wundermann“ gefeiert wurde. Wo stehen wir heute? Nun, die Verwirrung scheint perfekt – jedenfalls klafft derzeit ein tiefer Graben zwischen den USA und Europa.

Die Krise wird größer, bis …

Welle um Welle geht über uns hinweg, in immer schnellerem Takt. Immer neue Aufreger prägen die Nachrichten und wollen unsere Seelen verfinstern. In welcher Zeit leben wir eigentlich? Jesus wären solche Zustände nicht fremd, denn er erlebte ähnliche Spannungen zu seiner Zeit. Vom Tag seiner Geburt an waren die weltlichen Mächte im Aufruhr, bis er schließlich „gelitten [hat] unter Pontius Pilatus“, der als korrupter Politiker sogar ins Glaubensbekenntnis einging.

Jesus kannte selbst nicht den genauen Tag seiner Wiederkunft, aber er sprach eindeutig von seinem zweiten Kommen in großer Macht und Herrlichkeit (zum Beispiel im Matthäusevangelium, Kap. 24, V. 27-37). Jetzt schon gilt: „Jesus Christus herrscht als König“ (EG 123) – wenn auch noch im Verborgenen, sozusagen hinterm Vorhang der Weltgeschichte. Jesus gab uns jedoch ein Bild davon, auf welche Entwicklungen wir uns bis zu seiner Wiederkunft einstellen müssen: Es wird wie vor einer Geburt zu immer stärker werdenden „Wehen“ kommen (Matthäusevangelium, Kap. 24, V. 8). Frauen, die Kinder entbunden haben, wissen darum: Die Wehen werden immer stärker und können unerträglich sein. Doch das Ziel ist nicht der Schmerz, sondern ein Geschenk: neues menschliches Leben!

Gottes Reich kommt unter Wehen zur Geburt. Die Spannungen gehören zum Geburtsprozess. Bereits den Gemeinden der ersten Generation vermittelten die Apostel, „dass wir alle durch viele Bedrängnisse in das Reich Gottes kommen müssen“ (Apostelgeschichte, Kap. 14, V. 22). Doch der Druck geht vorüber und führt zum Offenbarwerden des Messias vor den Augen aller Welt: „Darum wollen wir dankbar sein, weil wir ein unerschütterliches Reich empfangen“ (Hebräerbrief, Kap. 12, V. 28).

Wenn das Reich Gottes missverstanden wird

Wann und wie kommt das Reich Gottes? Diese Frage hat die Menschen zur Zeit Jesu umgetrieben, vor allem die religiös motivierten. Auch seine Schüler waren darüber uneins und mussten von Jesus immer wieder korrigiert werden, dass das Reich Gottes nicht auf eine Weise kommt, wie es Menschen erwarten … (Lukasevangelium, Kap. 17, V. 20-24). Man gewinnt den Eindruck, dass es Jesus viel Mühe machte, ihnen ein tiefsitzendes Machtstreben auszutreiben (Matthäusevangelium, Kap. 20, V. 20-28). Für seine Schüler war „dienende Leitung“ die schwerste aller Lektionen auf dem Weg der Nachfolge (Johannesevangelium, Kap. 13, V. 15-16)! Vor dem Prokurator Pilatus kommt es zu einem letzten, zeitlosen Statement: „Mein Königtum ist nicht von dieser Welt“ (Johannesevangelium, Kap. 18, V. 36). Die Verführung zur Macht war immer schon die stärkste Bedrohung der Gemeinde Jesu. Die „geistlich“ klingende Variante ist unser Verlangen nach Einfluss und Anerkennung, manchmal versteckt ich-bezogen.

Braucht es innerhalb der Christenheit, vor allem in den USA, so etwas wie eine „zweite Reformation“ im Blick auf diese Jesusworte? Fehlt Amerika die Erfahrung von Christen aus dem Kirchenkampf in Deutschland? Wird man in einigen Jahren aus den USA ähnliches hören wie die „Barmer Theologische Erklärung“ von 1934? Aber zurück zu uns!

Ein Blick auf die Zeit Jesu kann uns helfen

Die religiösen und politischen Strömungen in Israel waren zur Zeit Jesu mindestens so kontrovers, wie wir sie derzeit in Europa und den USA erleben. Es fällt gerade schwer, bestimmte Entwicklungen in richtig und falsch einzuteilen. Das Denken in Parteigrenzen führt zu starrer Abgrenzung, die bisweilen nicht durchzuhalten ist. Dies erschwert den Dialog auch über Meinungsverschiedenheiten hinweg und ein neues Miteinander – wo unser Land genau das dringend braucht!

Jesus hat seine Jünger offenbar unabhängig von ihrer politischer „Farbe“ ausgewählt. Die Spannungen zu seiner Zeit waren in Israel mindestens so extrem, wie wir es heute in Europa und den USA erleben. Können wir den Gedanken ertragen, dass es im Kreis der Zwölf heute Überzeugungen geben würden, die von den Linken bis zur AfD reichen? Jesus hat die roten Linien jedenfalls anders gezogen: Sein Kampf richtete sich gegen Sünde, Krankheit und Dämonen, nicht gegen politische Widersacher! „Mein Königtum ist nicht von dieser Welt!“ Wo stehen wir? Wie positionieren wir uns? Durchschauen wir die geistlichen Strömungen unserer Zeit? Aus welcher Quelle kommen denn Einschüchterung und Angst, Polarisierung und Verwirrung? Jesus sagt: „Sorgt euch nicht und habt keine Angst!“ (z.B. Lukasevangelium, Kap. 12,22 u. 32). Und er lehrte und lehrt seine Jünger damals wie heute, besonders unter Druck aufzuschauen und den Blick auf Gott zu richten – „denn eure Erlösung ist ganz nahe!“ (Kap. 21, V. 28).

Die Gemeinde muss sich hüten

Der Kampf um die Gemeinde Jesu ist voll entbrannt. Vieles wirkt dabei schleierhaft und die Fronten sind diffus. Entscheidend ist dabei nicht in erster Linie, ob Christen politisch „auf der richtigen Seite“ stehen und wie sie gewählt haben. Die Gemeinde Jesu darf den Geist Christi nicht verlieren! Sie darf ihren Glauben nicht politisieren lassen und muss sich hüten, Politik religiös aufzuladen. Jesus gab uns ein paar klare Kriterien an die Hand, um „Influencer“ zu beurteilen: „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen“ (Matthäusevangelium, Kap. 7, V. 20). Und Paulus führt diesen Gedanken weiter, „denn das Reich Gottes ist … Gerechtigkeit, Frieden und Freude im Heiligen Geist“ (Römerbrief, Kap. 14, V. 17).

Wir brauchen mehr denn je den „Geist der Unterscheidung“! Dazu sind wir nicht zuletzt durch die Jahreslosung 2025 aufgerufen: „Prüft aber alles und das Gute behaltet“ (1. Brief an die Thessalonicher, Kap. 5, V. 21). Von Jesus heißt es einmal inmitten größter Spannungen: „Er aber schritt mitten durch sie hindurch und ging seines Weges“ (Lukasevangelium, Kap. 4, V. 30). 

Sind wir auf seinem Weg? Sind wir mit ihm auf seinem Weg durch diese Zeit?

Swen Schönheit

Swen Schönheit ist evangelischer Pfarrer im Ruhestand und 1. Vorsitzender der GGE Deutschland.

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