Bitola in Nordmazedonien: Wo jedes Jahr der Deportation der mazedonischen Juden gedacht wird, hat Hans-Joachim Scholz Überlebende des 7. Oktober getroffen. Sie berichten vom Terrorangriff der Hamas vor sechs Monaten und wie dieser Tag ihr Leben verändert hat.
In der nordmazedonischen Stadt Bitola wird jedes Jahr in den Tagen um den 11. März der Deportation der mazedonischen Juden gedacht. Israelische, deutsche und mazedonische Jugendliche kommen dann zusammen und gehen Wege zur Versöhnung – und wir von der GGE sind mit dabei. 2024 ist das Treffen geprägt von den schrecklichen Ereignissen des 7. Oktober 2023. 12 Israelis aus verschiedenen überfallenen Kibbuzim aus der Gaza-Region sind, zusammen mit anderen Israelis, mit ihrem psychologischen Betreuer Eli nach Bitola zum Holocaust-Gedenken gekommen. Diese 12 haben keine familiären Gründe für diese Reise. Sie suchen nach Worten und Vergleichen für ihr traumatisches Erleben. Die Gemeinschaft mit denen, die an die Deportation 1943 und die Vernichtung ihrer mazedonischen Familien erinnern, soll ihnen helfen. Mit ihrer Teilnahme am „Marsch des Lebens“ wollen sie zeigen: Wir haben überlebt, wir werden leben!
Moran spricht am Schabbatabend (8. März) für die ganze Gruppe: Keiner hatte etwas geahnt. Die erste Schreckensmeldung per Handy am frühen Morgen des 7. Oktober 2023 erschien unwirklich. Doch schon drangen die Hamas-Terroristen auch in ihren Wohnbereich ein. Sie konnte sich retten, aber die anderen wurden ermordet und entführt.
Gil berichtet, dass sie am Eingang zum Kibbuz schnell eine Blockade mit Fahrzeugen eingerichtet hatten. Nachdem die Terroristen nicht so leicht wie erhofft eindringen konnten, zogen sie ab – kamen aber leider gleich in der Nachbarschaft an ihr mörderisches Ziel.
Was passiert ist, kann man in Medien auf der ganzen Welt sehen oder lesen. Was war das? Morden? Schlachten? Schänden? Demütigen? Quälen? Blutrausch? Hass? Moran und Gil ringen um passende Worte und finden keine. Waren das Menschen? Zombies? Hatten sie Drogen genommen?
Eli erzählt, dass er religiös aufgewachsen war. Irgendwann wurde er, wie seine Jugendfreunde, säkular. Er wollte einfach an das Gute im Menschen glauben. Deshalb wurde er Sozialarbeiter. Was er erleben musste, schlug wie ein Hammer auf das Porzellan seiner Ideale.
Wir sitzen in großer Runde zusammen. Moran meint, Kern des Hamas-Terrors sei die Vernichtungsabsicht – wie beim Holocaust. Aber der Hass und seine weltweite Verbreitung, das sei etwas Neues. Die Bereitschaft zur Grausamkeit. Diese individuelle Motivation zu unvorstellbar schrecklichen Taten …
Omer hat seine Nichte zu beklagen. Sie war beim Rave-Festival im Süden des Landes und kam gleich in der ersten halben Stunde um. „Wir haben gemeint, hier in Israel sind wir sicher. Unsere Armee schützt uns. Der Mossad hält Wache und erkennt die Gefahren rechtzeitig. Nein. Und viele sogenannte Freunde lassen uns hängen. Wir sind wieder allein.“
Wir trauern um Guy. Vor fünf Jahren war er bei unserer Jugendbegegnung zwischen Mazedoniern, Israelis und Deutschen dabei gewesen. Als Rekrut im Dienst der israelischen Armee wurde er am 7. Oktober gleich morgens gegen halb acht überfallen und umgebracht. Betroffenheit und Tränen. Erstaunlich lange hatten wir damals in kleinen Gruppen die Frage besprochen: „Wo werden wir in fünf Jahren sein?“ Je mehr man spricht, desto weniger begreift man.
Shelly bittet mich, etwas zu sagen. „Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal …“ – der einzige Psalm, den ich einmal hebräisch auswendiggelernt habe, fällt mir ein: „… fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir!“ (Psalm 23). Unglück kommt. Furcht kommt. Aber ich werde sie los, „denn du bist bei mir!“ Dazu passt die Losung des Tages (8.3.24): „… der Herr wandte sich Israel wieder zu um seines Bundes willen mit Abraham, Isaak und Jakob …“ (2. Buch der Könige, Kap. 13, V. 23). – „Ja“, sagt Moran, „wir müssen stark sein. Wir haben keine Alternative.“ Und wir? In ihren Schuhen können wir nicht gehen. Aber Israel beistehen – das geht. Ja, mit ihnen vor Gott, unserem und ihrem Vater stehen und das jüdische Gebet beten: „Avinu malkenu“, „unser Vater, unser König!“
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Unvorstellbare Grausamkeit, brutaler Hass. Wie sind Menschen zu so etwas fähig? Wie werden Menschen zu Terroristen und zu Barbaren?
Bei allem im Leben ist es immer wichtig, auf den KONTEXT zu sehen.
Das macht kein Leid ungeschehen. Das holt keine Ermordeten zurück.
Das kann nur helfen, JETZT für die ZUKUNFT gute Entscheidungen zu treffen und keine Kurzschlüsse zu ziehen.