Unablässig ruft Gott den Menschen und wirbt um ihn. Und wir? Wirklich frei und froh sind wir nur, wenn Gott im Mittelpunkt unseres Lebens steht. Von Henning Dobers
Adam, wo bist du?“ ist die erste Frage, die in der Bibel von Gott überliefert ist. Gott ist auf der Suche nach dem Menschen, den er als sein Ebenbild „zu sich hin“ geschaffen hat, wie es Augustinus zu Beginn seiner „Bekenntnisse“ formuliert. Adam und Eva jedoch haben sich vor Gott versteckt, nicht wissend, dass sie als menschliche Geschöpfe ohne Kontakt zu ihrem Schöpfer bald erschöpft sind. Adam und Eva stehen für die Situation von uns Menschen. Seit dem Sündenfall ist das so, bis heute.
Gott braucht uns nicht, aber wir brauchen ihn
Gott weiß um unser selbstverschuldetes Elend, wir wissen es meist nicht. Gott braucht die Welt und uns nicht, um Gott zu sein und zu bleiben, aber wir brauchen IHN, um Menschen zu bleiben. Anstatt sich abzuwenden und die Dinge einfach laufen zu lassen, behält Gott die ganze Welt unablässig im Blick: „… und mich sollte nicht jammern Ninive, eine so große Stadt, in der mehr als hundertzwanzigtausend Menschen sind, die nicht wissen, was rechts oder links ist, dazu auch viele Tiere?“ (Jona 4,11).
Gott Lässt die Menschen nicht einfach laufen
Gott ruft den Menschen, er wirbt um ihn mit kämpferischer Liebe. Er hat jeden Menschen einzeln im Blick, Singles, Familien und Häuser, aber auch Gemeinden und Kirchen, Dörfer und Städte, Völker, Nationen. Insbesondere fokussiert er Israel, mit dem er einen Bund geschlossen hat: „Ist nicht Ephraim mein teurer Sohn und mein liebes Kind? Denn sooft ich ihm auch drohe, muss ich doch seiner gedenken; darum bricht mir mein Herz, dass ich mich seiner erbarmen muss, spricht der HERR“ (Jer 31,20).
Warum nur tut Gott sich das an? Warum lässt er sein Volk und überhaupt die Menschheit nicht einfach laufen? Es gibt nur eine Erklärung: Weil er uns liebt und weil er will, dass das Gute siegt. Und weil er weiß, dass wir ohne ihn auf Dauer nicht klarkommen.
Es ist Gott, der seinen Blick unablässig auf den Menschen richtet. Und es ist der Mensch, der sich nach Gott orientieren muss, um in seiner Bestimmung zu bleiben.
Gott geht aufs Ganze
In der Menschwerdung seines Sohnes geht Gott deshalb noch einen Schritt weiter. Er fokussiert den Menschen, sein Elend, seine Schuld und Perspektivlosigkeit so sehr, dass er einer von uns wurde, um uns zu erlösen. Im Neuen Testament wird diese Haltung Gottes besonders eindrücklich von Jesus in den Gleichnissen vom verlorenen Schaf, vom verlorenen Groschen und vom verlorenen Sohn beschrieben (Lk 15). Immer ist etwas wirklich verloren oder sogar tot. Immer rechtfertigt der Wert und die Gefährdung des Verlorenen eine aufwändige Suche. Immer wird etwas wiedergefunden und damit gerettet. Immer herrscht große Freude. Wir haben einen Gott, der uns unablässig fokussiert. Was für eine Gnade!
Sind wir gottfokussiert?
Und der Mensch? Das ganze Elend fing an, als der Mensch im Paradies seine Aufmerksamkeit nicht mehr voller Vertrauen auf Gott und sein Wort gerichtet hielt, sondern sich von der Schlange und ihren Worten ablenken ließ. Mit der Verschiebung des Fokus geriet das gesamte Werte-Koordinatensystem in Schieflage. Wo nicht mehr der dreieinige Gott gesucht, geehrt und angebetet wird, werden automatisch andere Dinge, Personen oder Götter angebetet, von denen der Mensch sich Sinn, Freude, Leben und Trost erhofft. Der Platz bleibt nie leer. Irgendetwas muss der Menschen fokussieren. Wer nicht mehr in einer gesunden Ehrfurcht Gottes lebt, muss sich vor anderem fürchten. Meist ist das die Meinung von Menschen.
Gott lieben mit allem, was in mir ist …
Als Jesus einmal gefragt wurde, worauf es im Leben wirklich ankommt, antwortete er deshalb mit dem ersten Gebot: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und mit all deiner Kraft“ (Mk 12,30). Der Psalmist betet: „Ich habe den HERRN allezeit vor Augen; er steht mir zur Rechten, so wanke ich nicht (Ps 16,8).
Wirklich frei, froh und voller Leben ist der Mensch nur, wenn er Gott zum Mittelpunkt seines Lebens macht. Deshalb das erste und wichtigste Gebot: Steht Gott an erster Stelle und ist die Beziehung zu ihm integer, gesund und intakt, ordnen sich alle anderen Dinge von ihm her zum Guten.
… und dann den Nächsten Wenn wir als Kirche und als Christen dies treu und liebend zu allen Zeiten tun, bewahrheitet sich der zweite Teil der Antwort Jesu: „Das andre ist dies: ,Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst’“ (Mk 12,31) und das Wort von Paul Michael Zulehner: „Wer bei Gott eintaucht, taucht bei den Armen wieder auf“. Man beachte jedoch die Abfolge: erst Gott, dann der Mensch. Wer auf gesunde Weise Gott an die erste Stelle setzt, landet automatisch beim Menschen. Umgekehrt gilt das nicht.